Arbeitnehmer mit Wohnsitz in Frankreich, die einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen und deshalb von der Sozialversicherungspflicht befreit sind, können dem Arbeitgeber teuer zu stehen kommen, wenn sie eine weitere abhängige Beschäftigung für einen anderen Arbeitgeber in Frankreich verschweigen:
Zur Erinnerung: Personen, die nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, sind von der Versicherungspflicht zur Sozialversicherung gewöhnlich weitgehend befreit. Eine geringfügige Beschäftigung liegt in der Regel immer dann vor, wenn regelmäßig eine abhängige Tätigkeit gegen ein geringes Entgelt (sogenannte Entgeltgeringfügigkeit gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) oder eine kurzfristig angelegte Tätigkeit (z. B. Saisonbeschäftigte, § 8 Abs. 1 Nr. 2 in SGB IV) für den Arbeitgeber erbracht werden. Die Geringfügigkeit kann aber z. B. entfallen, wenn der Arbeitnehmer mehrere geringfügige Beschäftigungen oder neben einer nicht geringfügigen Beschäftigung zwei weitere geringfügige Beschäftigungen ausübt, weil in diesem Fall die Beschäftigungen einfach zusammengerechnet werden (§ 8 Abs. 2 SBG IV).
Das Problem ist dabei, dass ein Arbeitgeber grundsätzlich nicht wissen kann, ob z. B. der bei ihm geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer noch eine andere abhängige Tätigkeit ausübt, weil ihn der Arbeitnehmer hierüber nicht informiert. Der Arbeitgeber läuft in solchen Fällen deshalb Gefahr, dass er über mehrere Jahre seine Pflicht als Arbeitgeber versäumt, die Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, und zwar im guten Glauben darauf, es bestehe diese Pflicht nicht.
Vor unangemessen hohen Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen wird deshalb zumindest der gutgläubige Arbeitgeber dadurch geschützt, dass nach dem deutschen Sozialversicherungsrecht die Versicherungspflicht erst mit dem Tage eintritt, an dem sie ihm von der zuständigen Einzugsstelle bekannt gegeben wird (§ 8 Abs. 2 Satz 3 SGB IV).
Dies gilt aber nicht nach dem französischen Sozialversicherungsrecht. Hier können vom Arbeitgeber noch rückwirkend angefallene Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert werden, und zwar ggf. mindestens die Beiträge der letzten 10 Jahre. Hinzu kommen saftige Zins-, Erhöhungs- und Strafzuschläge (" intérêts, majorations et pénalités"). Im schlimmsten Fall droht sogar eine Strafanzeige wegen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Die von französischen Arbeitgebern hierfür zuständige französische Behörde URSSAF ("Unions de Recouvrement des Cotisations de Sécurité Sociale et d'Allocations Familiales") verfolgt diese Ansprüche auch gegenüber deutschen Arbeitgebern, die in Frankreich die Sozialversicherungsbeiträge hätten abführen müssen, und zwar gnadenlos, leider allerdings häufig erst mit jahrelanger Verspätung.
Und diese Sozialversicherungspflicht deutscher Arbeitgeber in Frankreich entsteht oft bei geringfügig Beschäftigten, die in Frankreich ihren Wohnsitz haben, nämlich, wenn sie dort z. B. eine Vollzeitbeschäftigung ausüben, von der Sie als Arbeitgeber möglicherweise nichts wissen. Denn alle Arbeitsverhältnisse, sowohl in Deutschland als auch in Frankreich bestehenden Arbeitsverhältnisse, unterliegen der Sozialversicherungspflicht nur des Mitgliedstaates, in dem der Arbeitnehmer den wesentlichen Teil seiner Tätigkeit ausübt (Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) 883/2004). Dabei wird regelmäßig unterstellt, dass ein Arbeitnehmer mit Wohnsitz in Frankreich auch dort den wesentlichen Teil seine Tätigkeit ausübt, wenn er dort mindestens 25 % seiner gesamten Arbeitszeit leistet oder mindestens 25 % seines gesamten verdienten Arbeitsentgelts dort bezieht.
Sollten diese Voraussetzungen bei Ihrem in Frankreich wohnenden geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer vorliegen, sind Sie als Arbeitgeber verpflichtet, die in Frankreich anfallenden Sozialversicherungsbeiträge auch in Frankreich abzuführen. Soweit Sie dies in der Vergangenheit versäumt haben, drohen Ihnen Nachzahlungen mit den oben beschriebenen unangenehmen Konsequenzen.
Als weiterer Wehrmutstropfen kommt hinzu, dass Sie die Erstattung der eventuell an die Deutsche Rentenversicherung oder an die Knappschaft geleisteten Beiträge nicht mehr fordern können, soweit die Beitragszahlung länger als 4 Jahre zurückliegt (§§ 26 Abs. 1, 27 Abs. 2 SGB IV).
Dabei stellt sich für den Arbeitgeber schnell die Frage nach möglichen rechtlichen Konsequenzen für den Arbeitnehmer, doch ist dieses Verschweigen nicht zwangsläufig ein Kündigungsgrund. Allein ein Verstoß gegen die Auskunftspflicht des Arbeitnehmers wird in der Regel nicht ausreichen. Bei Hinzutreten weiterer Umstände kann die Rechtslage jedoch anders zu beurteilen sein.
Ebenso schwierig wird es sich gestalten, Schadensersatz gegenüber dem betreffenden Arbeitgeber im Rahmen des Regresses durchzusetzen. Der Ersatzanspruch beschränkt sich grundsätzlich auf den Arbeitnehmeranteil (etwa 20 % vom Bruttogehalt) und ist nur im sogenannten Lohnabzugsverfahren möglich, was bei einer geringfügigen Beschäftigung eher unrealistisch ist. Ein Anspruch auf Erstattung der Arbeitgeberanteile besteht hingegen nicht, weil diese ja sowieso von dem Arbeitgeber zu zahlen sind. Und die Arbeitgeberanteile liegen in Frankreich derzeitig bei etwa 40 % vom Bruttogehalt.
In jedem Fall bedarf in solchen Situationen einer Prüfung des Einzelfalls. Hierfür steht Ihnen unser Rechtsanwaltsteam gerne zur Verfügung.
Autor: Jörg Garde
Stand: September 2024
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